Voll die Krise

Voll die Krise

Was bedeutet „das Sorgerecht haben“? Kann sich daran etwas ändern? Wie geht es weiter, wenn der Elternstreit sich darum dreht, in welchem Land Dein Zuhause sein soll? Wir möchten Dir wichtige Begriffe, auf die Du stoßen kannst, erklären und Dich mit Antworten auf Deine Fragen unterstützen.

Streit ums Sorgerecht

Das Sorgerecht Deiner Eltern oder eines Elternteils verpflichtet und berechtigt dazu, sich um Dich als Minderjährige/Minderjährigen zu sorgen. 

Die elterliche Sorge, ein anderer Ausdruck, fängt an bei der Namenswahl und umfasst zum Beispiel ebenso die Anmeldung in einer Schule oder die Aufgabe, sich um Deine Gesundheit zu kümmern. Sie betrifft zudem Entscheidungen rund um die Erziehung, die Religionszugehörigkeit und medizinische Behandlungen sowie das Aufenthaltsbestimmungsrecht.

Wichtig: Das deutsche Konzept von Sorgerecht ist nicht einfach übertragbar – rechtlich und kulturell gibt es weltweit große Unterschiede.

Bei der Frage, ob Eltern das Sorgerecht gemeinsam ausüben oder es ein Elternteil alleine innehat, wird in Deutschland nach wie vor ein Unterschied zwischen verheirateten Eltern und nicht verheirateten Eltern gemacht. Verheiratete Eltern haben automatisch die gemeinsame elterliche Sorge. Nicht verheiratete Eltern müssen zuerst formal erklären, dass sie die elterliche Sorge für ihr Kind gemeinsam übernehmen wollen. Geben unverheiratete Eltern keine Sorgeerklärung ab, so hat die Mutter die elterliche Sorge allein.

Seit einigen Jahren könnte ein Vater das gemeinsame Sorgerecht bei Gericht beantragen, auch wenn die Mutter keine gemeinsame Sorge möchte. Solange es hinsichtlich des Kindeswohls keine Bedenken gibt, wird das Familiengericht den Eltern die elterliche Sorge gemeinsam übertragen.

Die Frage, welche länderspezifischen Regelungen zur elterlichen Sorge auf Deine Familie zutreffen, stellt sich insbesondere, wenn Du im Laufe Deines Lebens in mehr als einem Land lebst.

Haben Deine Eltern die gemeinsame elterliche Sorge für Dich, dann ändern eine Trennung oder Scheidung daran erst einmal nichts. Einige Dinge, man sagt „die Angelegenheiten des täglichen Lebens“, kann der Elternteil, bei dem Du hauptsächlich wohnst, zwar alleine entscheiden, es bleibt jedoch beim gemeinsamen Sorgerecht. In vielen wichtigen Fragen, die Dein Aufwachsen betreffen, müssen Deine Eltern sich einigen.

Manchmal will es aber einfach nicht mehr klappen. Obwohl beide Deine Eltern nur das Beste für Dich wollen, kann die Notwendigkeit, sich immer wieder einig zu werden, zur Belastung werden.

Vater oder Mutter können beim Familiengericht die „alleinige elterliche Sorge“ beantragen. Eltern tun dies oft, wenn sie so zerstritten sind, dass sie nicht mehr miteinander sprechen können oder wollen. In einigen Fällen sorgt jedoch auch eine große räumliche Distanz dafür, dass gemeinsame Entscheidungen immer schwieriger werden.

Übrigens, ein solcher Antrag kann auch nur für Teile der elterlichen Sorge gestellt werden. Ein Familiengericht kann einem Elternteil Entscheidungen in einer konkreten Angelegenheit allein übertragen. So ist es beispielsweise möglich, dass selbst bei gemeinsamem Sorgerecht das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein der Mutter oder allein dem Vater, oder auch einem Vormund, übertragen wird.

Die Richterin oder der Richter des Familiengerichts überträgt die alleinige elterliche Sorge nur dann einem Elternteil, wenn der Eindruck überwiegt, dass sonst das Kindeswohl gefährdet wäre. Um dies beurteilen zu können, gibt es ein Verfahren, währenddem unter anderem das Jugendamt um eine Einschätzung gebeten und Du (je nach Alter) befragt werden würdest.

Erfahre mehr über Deine Rolle im familiengerichtlichen Verfahren.

Im Falle von alleiniger elterlicher Sorge bekommt das Umgangsrecht besondere Bedeutung. Du hast ein Recht auf Umgang, das heißt regelmäßigen Kontakt, mit beiden Eltern, egal wie das Sorgerecht geregelt ist.

Mehr zum Umgangsrecht

Deine Eltern wollen in unterschiedlichen Ländern leben

Auf die Trennung der Eltern folgt meist ein Umzug. Entweder zieht ein Elternteil aus oder Du ziehst mit einem Elternteil in eine neue Wohnung. Manchmal liegt das neue Zuhause dabei ganz schön weit weg vom alten.

Bist Du nach der Trennung Deiner Eltern mit einem von beiden in ein anderes Land gezogen? Oder ist ein Elternteil allein ins Ausland gezogen?

Trifft eins davon auf Dich zu, könnte es Dir wie vielen anderen Jugendlichen gehen: Deine Eltern streiten darüber, wie sie gewährleisten können, dass beide Teil Deines Alltags bleiben.

Selbst wenn Deine Mutter oder Dein Vater im Ausland lebt, bliebe eine vorher bestehende gemeinsame elterliche Sorge unverändert. Es sei denn, einer von beiden würde eine andere Regelung beim Familiengericht beantragen. 

Das kann für Deine Mutter oder Deinen Vater dann Sinn machen, wenn der andere Elternteil so weit weg lebt, dass man Dinge nicht schnell gemeinsam entscheiden kann. Zuständig ist normalerweise das Familiengericht an Deinem Wohnort. Um sich ein Bild von der Lebenssituation des Elternteils im Ausland zu machen, kann die Richterin / der Richter versuchen, einen Bericht aus diesem Land einzuholen. Dabei kann der Internationale Sozialdienst helfen. 

Eine Änderung der Sorgerechtsregelung durch das Gericht muss immer gute Gründe haben. 

Dass Eltern an verschiedenen Orten leben, wird an sich in der Regel nicht als Grund gesehen, die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben.

Verschiedene Länder haben verschiedene Gesetze, Werte und Normen, die das Zusammenleben zwischen Eltern und Kindern regeln. 

Das bedeutet: die gesetzlichen Regelungen zur elterlichen Sorge und zum Umgangsrecht, die hier für Deutschland erklärt werden, müssen für andere Länder so nicht gelten.

Deine Eltern sollten sich vor einen Wohnortwechsel ins Ausland daher immer über die dort geltenden Regelungen und Gesetze informieren – und, wenn Du interessiert bist, mit Dir über mögliche Unterschiede sprechen.

Obwohl Deine Eltern getrennt leben, ist es in der Regel ihre Aufgabe, gemeinsam zu bestimmen, wo und bei wem Du im Alltag leben wirst. Die Entscheidung liegt bei ihnen.

Äußere, was Du Dir wünscht, aber vermeide, Dich für eine Entscheidung verantwortlich zu machen. Du brauchst nicht das Gefühl haben, Dich für oder gegen einen von beiden entscheiden zu müssen.

Es kann viele gute Gründe dafür geben, warum eine bestimmte Vereinbarung die für Deine Familie in diesem Moment richtige ist. Und es kann ebenfalls viele plausible Gründe für einen Umzug in ein anderes Land geben.

Ein Grundsatz, den du kennen solltest: Bei gemeinsamer elterlicher Sorge hat kein Elternteil das Recht, den Wohnsitz des gemeinsamen Kindes ohne Einverständnis des anderen zu bestimmen und den Lebensmittelpunkt ins Ausland zu verlegen. In vielen Ländern gilt dies sogar unabhängig davon, wer das Sorgerecht hat.

Zu den Voraussetzungen für einen Umzug ins Ausland.

Bei Uneinigkeit über Deinen künftigen Lebensmittelpunkt können Deine Eltern Hilfe bekommen, zum Beispiel im Jugendamt oder in Einrichtungen für Familienberatung. Bei einem Bezug ins Ausland können Sie auch uns anrufen und die telefonische ZAnK-Beratung in Anspruch nehmen. 

Eltern in Trennung fällt es aber trotz Beratung oft schwer, miteinander zu reden, ohne sofort zu streiten. Vielleicht sind sie zu traurig und wütend über die Situation, um zu sehen, wie sie sich jemals wieder über etwas einig werden sollen. Kommt Dir das bekannt vor?

Chancen, einer Einigung näher zu kommen, eröffnet die Unterstützung einer unbeteiligten Person, die ein Gespräch anleitet und Hilfestellungen gibt, die Gedanken zu sortieren. Einen Weg der Konfliktlösung mit Hilfe von außen nennt man Mediation. Hast Du das Wort schon einmal gehört? Erfahre mehr, indem Du unter Lösungswege weiterliest.

Ferner gibt es Gerichte, die in Familienkrisen eingeschaltet werden können, und eine Entscheidung übernehmen. Im Zentrum einer familiengerichtlichen Entscheidung steht dabei immer Dein Wohl. Dazu haben wir weiter oben, wo es ums Sorgerecht geht, schon etwas geschrieben. Um Deine Rolle im familiengerichtlichen Verfahren geht es in der Rubrik Lösungswege.

Selbst wenn sich Deine Eltern darüber einig sind, bei wem Du hauptsächlich lebst oder ein Gericht dies entschieden hat, kann es sein, dass Du erneute Konflikte mitbekommst.

Uns wird zum Beispiel häufig von erneutem Streit berichtet, wenn der hauptbetreuende Elternteil einen Umzug ins Ausland plant. Der Wunsch kann wegen einer tollen beruflichen Chance aufkommen, vielleicht auch um als allein- oder getrennterziehendes Elternteil nah bei der erweiterten Familie zu wohnen. Doch für einen Auslandsumzug ist das Okay des anderen Elternteils nötig. Einfach umzuziehen, also Deinen gewöhnlichen Aufenthaltsort zu verändern, ist gesetzlich nicht erlaubt.

Sollte einer Deiner Eltern also mit Dir in ein anderes Land ziehen wollen, geht das nicht, ohne…

  • dass beide Deine Eltern sich über diesen Schritt einig sind ODER
  • dass dieses Elternteil die alleinige elterliche Sorge oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht hat.

Angenommen, Du besuchst einen Deiner Eltern an ihrem/seinen Wohnort im Ausland: auch dann wäre es verboten, Dich ohne Einverständnis des anderen Elternteils dort zu behalten.

Es kommt vor, dass Mütter oder Väter einen Umzug ins Ausland heimlich planen. Das tun sie vielleicht, weil sie wissen: der andere Elternteil ist dagegen, dass das gemeinsame Kind mitkommt. Ihren jugendlichen Kindern aber erzählen sie davon.

Trifft das auf Dich zu und Du weißt nicht, wie Du damit umgehen sollst, dass Du von den Umzugsplänen weißt? Du musst ein solches Geheimnis nicht für Dich behalten. Wende Dich ans andere Elternteil oder erzähle einer Person in Deiner Familie oder in Deinem Umfeld davon, der Du vertraust, beispielsweise Deine Oma oder eine Lehrkraft Deiner Schule. Erwachsene Personen, mit denen Du Dein Unbehagen geteilt hast, könnten auch das Jugendamt für Dich ansprechen.

Die Mitarbeitenden dort kennen Situationen wie Deine und das Jugendamt kann Deinen Eltern helfen, zu erkennen, wann ihr Verhalten Dich belastet.

Du vermutest, eine Reise ins Ausland steht kurz bevor, die Deine Eltern nicht miteinander abgesprochen haben? Solltest Du Dich ganz plötzlich in dieser Situation wiederfinden, zum Beispiel am Bahnhof oder Flughafen, sprich notfalls die Polizei an.

Umgezogen in ein anderes Land: Was jetzt

Ein Umzug an neuen Ort kann ganz schön aufregend, spannend und cool sein. Gleichzeitig ist es möglich, dass Dir das Ankommen in einem anderen Land ganz unabhängig von den Umständen und Deiner Familienkonstellation nicht leichtfällt. Du besuchst eine neue Schule, vermisst vielleicht Deine alten Freundinnen und Freunde und musst wahrscheinlich eine fremde Sprache lernen.

Als Teil des Internationalen Sozialdienst unterstützen wir jedoch vor allem dann, wenn Deine Situation davon geprägt ist, dass der Umzug gegen den Willen eines Elternteils (oder ohne die entsprechende Gerichtsentscheidung) erfolgte.

Ist ein Elternteil mit Dir nach Deutschland zurückkehrt oder auf Dauer ins Ausland ausgereist? Fehlte hierfür die Zustimmung des anderen Elternteils oder eines Gerichts, kann es sein, dass dem Elternteil tatsächlich eine Kindesentführung vorgeworfen werden kann. Man spricht dann auch von Verbringen oder Zurückhalten.

Lese hier nach, was Deine Eltern bei einem Auslandsumzug beachten sollten.

Kindesentführungen kommen in ganz unterschiedlichen Familien vor.
Betroffene Eltern und Kinder haben die deutsche oder eine andere Staatsangehörigkeit, sind Teil binationaler Familienkonstellationen oder nicht, haben einen gemeinsamen oder verschiedene kulturelle Hintergründe. Wir wissen aus unserer Beratungsarbeit: Auch die Familienkonstellationen, Betreuungs- und Umgangsregelungen, in denen es wissentlich oder unwissentlich zu Entführungen kommt, sind ganz verschiedene. Wie sich die Sache für Dich anfühlt, lässt sich ebenso wenig verallgemeinern.

Es ist davon auszugehen, dass der „entführende“ Elternteil in bester Absicht agierte. Doch ganz unabhängig davon, stellt sich die Frage: Was ist jetzt zu tun?

Welche Möglichkeiten der zurückgelassene Elternteil hat, gegen den unerlaubten Umzug vorzugehen, das hängt zunächst davon ab, ob zwischen den jeweiligen Ländern internationale Vereinbarungen bestehen; allen voran das Haager Kindesentführungsübereinkommen.

Mit dem Haager Kindesentführungsübereinkommen verpflichten sich die Regierungen der Vertragsstaaten, von einem Elternteil mitgenommene Kinder wieder in das Land ihres ursprünglichen Wohnorts zurückzuführen.

Das vorgesehene Verfahren, das eine familiengerichtliche Entscheidung umfasst, beginnt auf Antrag des zurückgelassenen Elternteils. Es ist streng auf die Wiederherstellung der Ausgangssituation ausgelegt: Als betroffenes Kind würdest Du an den Ort Deines sogenannten „gewöhnlichen Aufenthaltes“ zurückkehren. Es gäbe keine inhaltliche Prüfung der Frage, bei wem Du besser aufgehoben wärst. Dies soll erst geklärt werden, sobald Du wieder in Deinem gewohnten Umfeld bist.

Zur Umsetzung haben die Vertragsstaaten sogenannte „Zentrale Behörden“ eingerichtet. Die Zentrale Behörde in Deutschland ist im Bundesamt für Justiz in Bonn angesiedelt. Hier können Eltern in Deutschland einen Antrag auf die Rückführung des mitgenommenen Kindes stellen, der dann familiengerichtlich gegen sehr eng definierte Rückführungshindernisse geprüft wird.

Aber nicht alle Länder haben das Übereinkommen unterzeichnet und die Vereinbarungen des Übereinkommens in ihre landesweite Gesetzgebung und Strukturen umgesetzt.

In jenen Ländern, die dem Haager Kindesentführungsübereinkommen nicht beigetreten sind, gibt es kein Verfahren, das mittels einer Zentralen Behörde die Rückführung eines Kindes regelt.

Betroffenen Eltern bleiben weniger Handlungsoptionen: der Rechtsweg, insbesondere die Klage vor Ort, und das außergerichtliche Aushandeln einer einvernehmlichen Lösung. Letzteres möglicherweise unterstützt durch eine Vermittlung durch Organisationen oder geeignete Personen vor Ort.

Über unsere Telefon-Hotline informieren wir Dich gerne vertieft über die möglichen nächsten Schritte.

Auch Deine Eltern können sich an uns wenden. Die ZAnK-Beratung kann beiden Elternteilen eine Unterstützung dabei sein, die Situation zu erfassen und ihrem Konflikt zu begegnen. Im Mittelpunkt unserer Beratung steht die Deeskalation und das Ziel, dass Eltern während der Lösungsfindung im Interesse der betroffenen Kinder und Jugendliche handeln. Es geht also auch darum, sicherzustellen, dass Du durchweg guten Kontakt zu beiden Elternteilen haben kannst – während der Zeit in einem anderen Land, wie auch nach der Rückkehr.